Forschungsinstitut für
Nachhaltigkeit | am GFZ

Moore - Klimaschützer oder Emissionsquelle?

09.01.2025

Kathleen A. Mar

Dr. Kathleen A. Mar

kathleen [dot] mar [at] rifs-potsdam [dot] de
Trockengelegte Moorflächen in Brandenburg werden häufig für den Ackerbau und als Grünland genutzt.
Trockengelegte Moorflächen in Brandenburg werden häufig für den Ackerbau und als Grünland genutzt.

Moore speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Welt zusammen - und das auf nur drei Prozent der globalen Landfläche. Werden sie jedoch trockengelegt - wie dies seit dem 17.Jahrhundert geschieht, um Land für Siedlungsbau, Forst- und Landwirtschaft zu generieren -, wird dieser Kohlenstoff wieder an die Atmosphäre abgegeben. Brandenburg will einige seiner trockengelegten Moore wiedervernässen, um das Klima und die biologische Vielfalt zu schützen.  In der siebten Folge des RIFS-Podcasts "Wandel verhandeln. Nachhaltig in Brandenburg" untersuchen wir das Potenzial und die Herausforderungen dieses Vorhabens.

Jedes Jahr werden durch trockengelegte Moore fast zwei Milliarden Tonnen [1] Treibhausgase freigesetzt, doppelt so viel wie durch den weltweiten Luftfahrtsektor. Ihre Wiedervernässung ist eine naturbasierte Klimaschutzmaßnahme, die das Potenzial hat, die Emissionen drastisch zu reduzieren. Ein „No-Brainer“ für den Klimaschutz, so scheint es. Aber wenn wir uns ansehen, was das in der Praxis bedeutet, wird das Bild komplexer. In Deutschland zum Beispiel werden fast 75 Prozent der trockengelegten Moorgebiete landwirtschaftlich genutzt. Wenn diese Flächen im Interesse des Klimas wiedervernässt werden sollen - wie es der Klima- und Moorschutzplan des Bundes vorsieht - was bedeutet das für die Zukunft der Landwirte in diesen Gebieten?

Für unsere RIFS-Podcastreihe Wandel Verhandeln. Nachhaltig in Brandenburg habe ich mich auf die Suche nach Antworten auf diese Frage gemacht. In Brandenburg werden die trockengelegten Moore überwiegend landwirtschaftlich genutzt und sind für mehr Treibhausgasemissionen verantwortlich als der Verkehrssektor. Im Jahr 2024 hat das Land einen Klimaplan verabschiedet, der Maßnahmen zur Wiedervernässung und zum Schutz der Moore vorsieht, mit dem ehrgeizigen Ziel (in Übereinstimmung mit dem bundesdeutschen Ziel), die Emissionen bis 2030 um fünf Millionen Tonnen jährlich zu reduzieren. Doch der Weg zu diesem Ziel ist mit vielen Stolpersteinen gepflastert.

Landwirt Godehard Stockhoff hat seinen Hof auf regenerativen Landbau umgestellt.
Landwirt Godehard Stockhoff hat seinen Hof auf regenerativen Landbau umgestellt.

Das Land plant nicht, alle Moore in wiedervernässte Naturschutzgebiete umzuwandeln, was ohnehin nur mit einem starken politischen Willen und finanziellen Ausgleichsregelungen zur Entschädigung von Landwirten und Landeigentümern für wirtschaftliche Verluste machbar wäre. Brandenburg hofft stattdessen, dass es einen Weg gibt, beides zu erreichen: wiedervernässte Moore und landwirtschaftliche Nutzung auf derselben Fläche. Dieses Konzept wird als „Paludikultur“ bezeichnet.

In Brandenburg werden derzeit viele trockengelegte Moorgebiete als Grünland für die Futtermittelproduktion genutzt. Wird der Grundwasserspiegel jedoch bis nahe an die Bodenoberfläche angehoben, wachsen andere Pflanzenarten, die sich nicht als Futtermittel eignen. Trockengelegte Moorgebiete machen etwa ein Viertel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche Brandenburgs aus; eine Umstellung auf Paludikultur in diesen Gebieten würde eine Umstellung auf neue Arten von (nicht als Lebensmittel nutzbaren) Pflanzen bedeuten: z. B. Schilf und Rohrkolben, die als nachhaltige Materialien für Bau, Isolierung oder Verpackung verwendet werden könnten. Neben anderen Kulturen erfordert der Paludikulturanbau auch andere Geräte - herkömmliche Traktoren versinken in nassen, sumpfigen Böden. Stattdessen brauchen die Landwirte ein Raupenfahrzeug, das sein Gewicht gleichmäßiger auf den Boden verteilt. Für sie bedeutet das alles andere als Business-as-usual.

Während Paludikultur für manche wie Zukunftsmusik klingt, gibt es bereits konkrete Schritte, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen - oder zumindest herauszufinden, ob sie Wirklichkeit werden könnte. Mehrere auf zehn Jahre angelegte Pilotprojekte mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis werden mit genau diesem Ziel gefördert: Sie sollen testen, wie Paludikultur in Brandenburg funktionieren kann - und zwar so, dass sie nicht nur gut für das Klima, sondern auch profitabel für Landwirte und Unternehmen ist (siehe z.B. diese Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft). In Brandenburg gibt es bereits Vorreiter, die sich das Thema auf die Fahnen geschrieben haben, darunter ein selbsternannter „Moorklimawirt" und eine „Allianz der Pioniere” aus der Privatwirtschaft, die Wertschöpfungsketten für Paludikulturprodukte aufbauen wollen. Aber abgesehen von diesen Vorreitern ist die Mehrheit der Landwirte, mit denen ich gesprochen habe, nicht überzeugt und zögert, in ein völlig neues und unerprobtes Geschäftsmodell zu investieren.

Es gibt einen Mittelweg in Form einer teilweisen Wiedervernässung. Wenn der Grundwasserspiegel nur bis etwa 30 cm unter die Oberfläche angehoben wird, werden die Treibhausgasemissionen reduziert und die Landwirte können weitgehend mit denselben Kulturen und Geräten weitermachen wie bisher. Diese Form der Wiedervernässung dürfte auch zusätzliche Vorteile für die Landwirtschaft mit sich bringen, da mehr Wasser in der Landschaft gespeichert wird. Dieser Zwischenschritt ist sicherlich sinnvoll und wird auch von den Landwirten befürwortet.  So auch von unserem Interviewpartner Godehard Stockhoff, dessen Familie einen Hof in Brandenburg betreibt: 

„Moorschutz ist uns natürlich sehr wichtig, weil es gerade bei uns in der Region so ist, dass wir relativ sandige Böden haben. Und wenn es dann trocken wird, geht das Wasser auch schnell aus. Auf diesen Niedermoor-Standorten können wir relativ gut ernten, weil der Boden so viel Wasser hält, und keiner in diesem Gebiet hat ein Interesse daran, diesen Moorkörper so zu verschlechtern, dass keine Bewirtschaftung mehr stattfinden kann.“

Bleiben wir aber bei dieser Kompromisslösung stehen, haben wir unsere Klimaziele nicht erreicht: Um Klimaneutralität (d.h. Netto-Null-Treibhausgasemissionen) bis 2045 zu erreichen, müssen die Mooremissionen gegen Null gehen, und das erfordert eine vollständige Wiedervernässung. Es ist zu früh, um zu sagen, ob ein Paludikulturmodell für Brandenburg erfolgreich sein wird. Um den Wandel in diese Richtung voranzutreiben, ist es jedoch notwendig, über Pilotprojekte hinauszugehen und politische Maßnahmen und Finanzinstrumente zu entwickeln, die neue Märkte für Produkte aus der Paludikultur unterstützen können.

Literatur & Ressourcen

[1] Ausgedrückt in CO2-Äquivalenten (CO2e). Das meiste davon sind CO2-Emissionen, der Rest sind Methan und Distickstoffmonoxid  (Lachgas).

Share via email

Copied to clipboard

Drucken