Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Chancen und Herausforderungen für Brandenburg
18.02.2025
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Die digitale Transformation verändert unseren Alltag und die Art, wie wir wirtschaften und arbeiten, in rasantem Tempo. Gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung einer sozial-ökologischen Transformation, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Wie können diese beiden Prozesse sinnvoll miteinander verknüpft werden? In Brandenburg lassen sich interessante Entwicklungen und Ansätze beispielhaft beobachten. In der achten Folge des RIFS-Podcasts „Wandel verhandeln. Nachhaltig in Brandenburg“ stellen wir eine Smart City und einen digitalen Agrabetrieb vor.
Digitalisierung als Werkzeug für Nachhaltigkeit
Viele Projekte der sozial-ökologischen Transformation können von digitaler Unterstützung profitieren. Ob bei der Energie- und Wärmewende oder beim Monitoring von Luftschadstoffen - digitale Technologien bieten viele innovative Möglichkeiten Daten zu sammeln, zu analysieren und aufzubereiten. Allerdings ist es wichtig, auch die Schattenseiten zu berücksichtigen, wie den hohen Ressourcenbedarf bei der Herstellung und dem Betrieb digitaler Infrastrukturen. Eine Gefahr besteht auch darin, dass nicht alle Menschen bei der digitalen Transformation mitgenommen werden und es zu einer digitalen Spaltung von Teilen der Gesellschaft kommt. Eine zentrale Erkenntnis der Digitalisierungsforschung lautet daher: Digitalisierung unterstützt nicht automatisch Nachhaltigkeit. Es braucht eine aktive Gestaltung des digitalen Wandels durch Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um positive Effekte zu erzielen und negative Folgen zu minimieren.
Auf Landesebene gibt es in Brandenburg bereits Ansätze, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenzudenken. Die Landesnachhaltigkeitsstrategie thematisiert digitale Aspekte vor allem im Hinblick auf soziale Fragen wie Gerechtigkeit, Zusammenhalt und Bildung. Das Brandenburger Digitalprogramm 2025 bezieht explizit auch die Ambivalenz der Digitalisierung mit ein und orientiert sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen, um Verknüpfungen zu identifizieren. Zwei Beispiele für eine solche Verknüpfung sind Smart Cities/smarte Regionen und smarte Landwirtschaft. Wir haben mit den Verantwortlichen für die Smart City Bad Belzig und Wiesenburg (Mark) und für den digitalen Agrarbetrieb Rehfeld gesprochen und stellen die Erkenntnisse daraus hier vor.
Smart Cities - mehr Lebensqualität der Bürger*innen durch digital unterstützte Stadtplanung
Ein spannendes Beispiel für die Verknüpfung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit in Brandenburg sind die interkommunal kooperierenden Smart Cities Bad Belzig und Wiesenburg (Mark). Seit 2020 als Modellprojekt gefördert, setzen sie auf Digitalisierung, um gezielt Prozesse zu unterstützen, die den Bürger*innen und der Umwelt zugutekommen. Dabei ist Digitalisierung zwar ein Werkzeug, um soziale und ökologische Zielstellungen zu erreichen, aber niemals ein Selbstzweck.
Eines dieser Werkzeuge für die Umsetzung der Smart Cities Bad Belzig und Wiesenburg (Mark) ist die Bad Belzig App, die schon früh am Beginn des Weges zur Smart City entwickelt wurde. Die App half von Beginn an, die digitalen Pläne für die Bürger*innen erlebbar zu machen und ihnen die Möglichkeit zum Feedback zu geben, wie Konrad Traupe, der als Projektleiter der Zukunftsschusterei die Smart City Bad Belzig/ Wiesenburg Mark gestaltet, schildert: „Wir haben eine Umfragefunktion, bei der die Menschen uns auch ganz direkt und ad hoc, ihre Meinung zu bestimmten Themen sagen können, um zum Beispiel den Bürger-Politik-Dialog auf eine Augenhöhe zu bringen“.
Weitere Maßnahmen, mit denen Nachhaltigkeit digital unterstützt wird, sind z.B. ein geplanter Mobilitätscampus, auf dem digitale und nachhaltige Mobilitätsangebote im ländlichen Raum entwickelt werden sollen, oder die Klimadaten-Plattform, auf der verschiedene klimarelevante Daten zu den Themen Wasser, Landschaft, Energie und Mobilität im Hohen Fläming aufbereitet und visualisiert werden. Die Klima-Datenplattform ist ein Beispiel für den Bereich „Planen mit Daten“, bei den über Sensorik erhobene Daten zukünftig verstärkt dazu dienen sollen, konkrete stadtplanerische Ideen für die Bereiche „Umwelt“, „Energie“ und „Mobilität“ zu identifizieren und umzusetzen.
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Digitalisierung in der Landwirtschaft
Ein weiteres interessantes Anwendungsfeld ist die digitale Landwirtschaft. Hier können neue Technologien nicht nur die Effizienz beim Ressourceneinsatz steigern, sondern auch zum Umwelt- und Tierschutz beitragen. Im Agrarbetrieb Rehfeld werden Fahrzeuge digital unterstützt gesteuert. Dadurch können die riesigen Maschinen Überlappungen minimieren und Landgrenzen werden strikt eingehalten. Davon profitiert auch das Umgrabe-Management, was den Wasserverlust reduziert und insgesamt zu mehr Ertrag führt. Mit moderner Drohnentechnik kann eine digitale Feldanalyse durchgeführt werden, um u. a. den besten Zeitpunkt für die Ernte zu bestimmen. Mit Wärmebildkameras ausgestattet hilft diese Drohnentechnik auch, vor dem Mähen zu kontrollieren, ob sich Rehkitze im Feld verstecken. Werden Kitze identifiziert, kommt der Belegschaft die besondere Aufgabe zu, diese dann vorsichtig aus dem zu mähenden Bereich heraus zu tragen.
Nicht nur die Umwelt profitiert von den digitalen Neuerungen. Auch die Personen, die die Maschinen im Betrieb bedienen, fühlen sich laut Aussage der Eigentümerfamilie durch die digitale Unterstützung entspannter und können sich daher verstärkt auf andere Aufgaben konzentrieren. Angst, durch diese Automatisierungslösungen ersetzt zu werden, gab es in der Belegschaft nicht, aber anfangs hatten viele Respekt vor der neuen Technik.
Die durchaus drastischen Umstellungen in der Landwirtschaft werfen aber natürlich auch Fragen auf: Wie können alle Landwirt*innen in diesem Prozess mitgenommen werden? Wie lässt sich verhindern, dass kleinere Betriebe abgehängt werden?
Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation
Die Erfahrungen aus Bad Belzig und Wiesenburg (Mark) zeigen: Der Weg zur digitalen und nachhaltigen Kommune ist ein experimenteller Prozess. Kleine Maßnahmen werden ausprobiert und bei Erfolg ausgebaut. Entscheidend sind dabei engagierte Menschen vor Ort, eine offene Verwaltung und der Austausch mit externen Expertinnen und Experten. Als Katalysator wirkte in Bad Belzig beispielsweise die Gründung des „Coconut“, das neue Impulse in die Region brachte. Das Coconut ist ein digitales Retreat, hierhin kommen Menschen zum konzentrierten Arbeiten in ruhiger, ländlicher Umgebung, inklusive Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeit. Die Schaffung der festen Position eines Digitalisierungsbeauftragten in der Verwaltung war ein weiterer wichtiger Schritt zur Institutionalisierung des Wandels.
Auch der digitale Umstieg im Agrarbetrieb Rehfeld ist zu einem großen Teil auf das Engagement und die Veränderungsbereitschaft der Leiterin und der Mitarbeitenden zurückzuführen, die sich auf die Veränderung Schritt für Schritt eingelassen haben. Ein Anreiz ist sicher auch die ökonomischen Vorteile, die sich durch die digitale Umstellung ergeben, z.B. durch das Einsparen von Saatgut. So berichtet der Agrarwirt Michael Lechner vom Agrarbetrieb Rehfeld, nach der letzten Aussaat „ist uns schon aufgefallen, es bleibt Saatgut über, aber dass am Schluss uns umgerechnet knapp 70 Hektar Weizen übriggeblieben ist, also knappe zehn Säcke, zehn Tonnen, da haben wir schon gedacht, oh, das bringt doch was. Da sind wir auch begeistert, das ist schon erstaunlich.“
Solche Positivbeispiele moderner Landwirtschaft sind sicherlich auch für andere Betriebe interessant und sollten vom Land Brandenburg gefördert werden. Daher kann der Austausch zwischen den Landwirt*innen (beispielsweise bei den sogenannten Feldtagen) sicher auch eine wichtige Rolle spielen, um voneinander zu lernen und praxisnahe Lösungen auf dem Weg zum digitalen Betrieb zu finden.
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Fazit und Ausblick
Die Verknüpfung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit bietet große Chancen für Brandenburg - sei es in der Stadtentwicklung, der Landwirtschaft oder anderen Bereichen. Gleichzeitig gilt es, die Risiken im Blick zu behalten und aktiv gegenzusteuern. Entscheidend wird sein, die Menschen mitzunehmen und digitale Lösungen an ihren Bedürfnissen auszurichten. Nur so kann eine Transformation gelingen, die sowohl ökologisch als auch sozial nachhaltig ist.
Unsere Beispiele zeigen, dass Brandenburg erste wichtige Schritte unternommen hat, um sozial-ökologische und digitale Transformation zu verbinden. Nun gilt es, die gewonnenen Erfahrungen auszuwerten und erfolgreiche Ansätze in die Fläche zu bringen. Mit der richtigen Mischung aus Innovation, Bürgerbeteiligung und politischer Steuerung kann das Land die nachhaltige Digitalisierung weiter ausbauen.